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Eine Ode an Selbstliebe, Selbstbestimmung und Lebensfreude.
„Wenn du so weitermachst, wirst du irgendwann alleine enden.“ Diese Worte bekam Marie Luise Ritter von ihrer Mutter zu hören, wenn sie sich ihrer Ansicht nach danebenbenommen hatte. Ganz so, als wäre das Alleinsein der Gipfel der Schande und ein todsicheres Rezept zum Unglücklichsein.
Über vielen Menschen schwebt das Schreckensszenario des Alleinseins wie ein Damoklesschwert. Es treibt sie in Beziehungen, die sich falsch anfühlen und immer weiter weg von ihrer persönlichen Version des Glücklichseins. Marie Luise weiß inzwischen: Die wahre Lebenskunst besteht darin, sich das Alleinsein mindestens so schön zu machen wie die Zweisamkeit.
In ihrem Buch Vom Glück, allein zu sein erzählt sie von den Höhen und Tiefen des Alleinlebens, von Momenten des Genusses und der Verlorenheit. Und von dem Weg, der die Autorin genau dahin führte, wo sie immer sein wollte: zu sich selbst. Aus ihrem Bericht haben wir die spannendsten Erkenntnisse herausgefiltert. Auch für dich sind sicher ein paar nützliche Tipps dabei – egal, ob du überzeugter Einzelgänger bist oder einfach nur lernen möchtest, dir selbst ein bisschen mehr Raum zu geben.
Alleine verreisen
Alles beginnt mit einer SMS: „Ich komme nicht mit“, steht darin. Marie Luise bricht in Tränen aus. Die gemeinsame Reise nach Edinburgh sollte doch der letzte Versuch sein, ihre krisengeschüttelte Fernbeziehung vor dem Aus zu retten. Die Tickets sind gebucht, die Koffer gepackt. Soll sie nun alles absagen und sich heulend unter der Decke verkriechen? „Nein“, beschließt sie und quält sich am nächsten Morgen trotz Liebeskummer aus dem Bett, um in den Flieger zu steigen. Das war der Anfang von Marie Luises unfreiwilliger Solo-Reise nach Schottland.
Dort angekommen, empfing sie die Stadt mit eisiger Kälte. Schlotternd spazierte sie durch die engen nebligen Häuserschluchten, schlenderte über den Friedhof, auf dem J. K. Rowling Inspiration für ihre Harry-Potter-Bücher gefunden hatte, und hörte vor dem alten Schloss einem Dudelsackspieler zu.
Auch wenn es in farbenfrohen Hollywoodfilmen über backpackende Single-Frauen vielleicht nicht so aussieht: Solo-Reisen sind oft alles andere als ein Spaziergang. Vieles ist irgendwie anstrengender. Es kostet Überwindung, sich alleine an einen Tisch im Restaurant zu setzen oder ganz solo eine Sightseeingtour zu buchen.
Aber gleichzeitig lernst du, genauer auf die eigenen Bedürfnisse zu hören: Möchtest du lieber nach links oder nach rechts abbiegen? Willst du jetzt schon etwas essen oder erst später? Ist dir nach Großstadtdschungel oder zieht es dich ins Grüne? So lernst du, dich ganz genau zu spüren und für den Augenblick zu leben. Du erfährst, dass du in jeder Situation gut für dich sorgen kannst, und du wirst immer besser darin, alleine die Leichtigkeit des Seins zu genießen.
Mit den Jahren ist Marie Luise zu einer passionierten Alleinreisenden geworden. Auf eigene Faust hat sie bereits Nicaragua, Portugal und Mexiko erkundet. Überall hat sie wunderbare Menschen getroffen, atemberaubende Landschaften erlebt und das Gefühl von Freiheit genossen.
Wenn du es ihr nachmachen willst, brauchst du dazu nicht mehr als einen kleinen Koffer und ein bisschen Mut. Du musst natürlich nicht gleich auf Weltreise gehen. Du könntest dich auch ganz einfach ins Auto oder den Regionalzug setzen und ans Meer fahren. Für einen Tag, für zwei Tage oder auch für länger. Was hindert dich daran?
Alleine wohnen
In Zeitlupe vom Schlafzimmer in die Küche wanken. Dort mit letzter Kraft ein Glas Leitungswasser trinken. Zurück ins Schlafzimmer, völlig erschöpft auf dem Bett zusammenbrechen und stundenlang die Zimmerdecke anstarren. So sah Marie Luises Leben im Frühjahr 2021 aus. Ein Jahr nach dem ersten Lockdown hatte auch sie sich mit Corona angesteckt. Das bedeutete: absolute Quarantäne. Jetzt war sie nicht nur krank, sondern auch noch einsam.
Für alleinlebende Singles wie Marie Luise ist Einsamkeit eine der größten Herausforderungen des Alleinewohnens. Wie sie damit umgeht? Sie hat gelernt, ihre Freundschaften zu pflegen, denn sie weiß: Nur wer kommuniziert, kann auch gehört werden. Während sich gemeinsame Abendessen oder Spaziergänge für zusammenlebende Paare oder WGs oft wie selbstverständlich ergeben, müssen Singles sie bewusst planen und initiieren. Das erfordert etwas mehr Eigenverantwortung, beschert ihnen gleichzeitig aber ein Maß an Freiheit, von dem andere nur träumen können.
Marie Luise liebt es, Herrscherin über ihr eigenes kleines Königreich zu sein. Keiner meckert, wenn sie schon morgens um sieben zu lauter Musik durch die Küche tanzt, die Spülmaschine erst später ausräumt oder das halbe Wohnzimmer zu ihrer persönlichen Yoga-Ecke umfunktioniert. Sie hat gelernt, ihre eigene Gesellschaft wertzuschätzen. Wer sagt bitte, dass man das schöne Geschirr nur dann auspacken darf, wenn Besuch kommt, und dass der superteure Fair-Trade-Kaffee für besondere Gelegenheiten aufgespart werden muss? Auch für ein Dinner oder einen Brunch for one richtet Marie Luise den Esstisch schön her und stellt sich frische, duftende Schnittblumen in die Küche.
Du siehst: Es gibt unzählige Arten, es dir selbst so richtig schön zu machen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit einem freien Sonntag ganz für dich allein? Du kannst dich natürlich spontan mit Freunden zum Kaffee treffen, wenn dir danach ist. Du kannst dich aber auch mit Musik auf den Ohren in der Stadt verlaufen, dich selbst zum Lunch einladen, im Park um die Ecke tagträumen, abends einen leckeren Topf Pasta kochen und hinterher bei einem Glas Wein auf dem Balkon in deinem Lieblingsbuch schmökern. Genieße die unzähligen Möglichkeiten, die dir das Alleinewohnen bietet und sei dir selbst die beste Mitbewohnerin, die du jemals hattest.
Alleine schlafen
Marie Luise seufzt wohlig, als sich ein schwerer Arm um ihre Taille schlingt und sich ein warmer Körper sanft an ihren schmiegt. Schlaftrunken hebt sie den Kopf und blickt kurz in die großen dunklen Augen von Noah. Haut an Haut schlafen sie zusammen ein.
Ihre und Noahs Wege hatten sich in einer Bar in Nicaragua gekreuzt. Berauscht von der Hitze, der Sonne und dem Duft der Freiheit verbrachten sie ein paar intensive Tage und stürmische Nächte miteinander. Von diesen Momenten der innigen Verbundenheit zehrte Marie Luise noch lange danach.
Der Mensch braucht Berührung beinahe so sehr wie die Luft zum Atmen. Küsse, Umarmungen und Streicheleinheiten sorgen dafür, dass unser Körper Oxytocin ausschüttet – ein Hormon, das stresslindernd und angstlösend wirkt. Umgekehrt steigt das Risiko, an Depressionen oder Angstzuständen zu erkranken, wenn es uns an Oxytocin fehlt.
Studien haben außerdem gezeigt, dass die Franzosen, die sich zur Begrüßung auf die Wangen küssen, eine geringere Gewaltbereitschaft zeigen als etwa die Amerikaner, die einander vergleichsweise wenig berühren.
Doch eine zärtliche Berührung ist gar nicht so leicht zu bekommen. Die modernen Lebensumstände sorgen dafür, dass wir uns hinter Bildschirmen verschanzen und immer seltener mit anderen in Verbindung gehen. Gerade für Singles ist da guter Rat oft teuer. Um ihren Hunger nach Berührung zu stillen, buchen sie sich eine Massage oder stürzen sich in flüchtige Liebesabenteuer. Das ist alles schön und gut, aber vielleicht geht es noch einfacher.
Auch in platonischen Beziehungen kann und darf es nämlich liebevolle Berührungen geben. Zum Beispiel kannst du auch einem Freund oder einer Freundin während eines innigen Gesprächs die Hand halten und ihr könnt euch zum Abschied herzlich umarmen. Einfach so, weil es schön ist und ein Gefühl von Nähe schafft. So signalisiert ihr einander: Ich sehe dich und ich bin für dich da. Und was das Alleineschlafen betrifft: Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen, die einen Hund haben, besser schlafen als Menschen, die einen Partner oder eine Partnerin haben.
Alleine dreißig werden
Während draußen auf den Straßen ein eisiger Novemberwind weht, drängen sich drinnen in einer kleinen Berliner Bar Marie Luises engste Freunde um ein paar offene Pizzakartons und prosten einander mit Glühwein zu. Marie Luise lauscht dem Stimmengewirr und ist glücklich. Schöner hätte sie sich die Feier zu ihrem dreißigsten Geburtstag nicht vorstellen können.
Runde Geburtstage wie dieser sind nicht für alle ein Grund zum Feiern. Sie verführen dazu, das bisherige Leben auf den Prüfstand zu stellen. „Was habe ich bisher erreicht? Wann werde ich endlich angekommen sein?“, fragen sich viele ängstlich. Mit dieser Selbstkritik nehmen sie die Erwartungen der Gesellschaft vorweg, die an Menschen in ihren Dreißigern auf einmal andere Ansprüche stellen als an Twentysomethings. Gerade Frauen redet man gerne ein, dass sie gescheitert seien, wenn sie an diesem Punkt ihres Lebens noch kinderlos sind.
Eine weibliche Biografie ohne eigenen Nachwuchs können sich viele gar nicht vorstellen. „Erst seit ich Kinder geboren habe, fühle ich mich wirklich vollständig“, meinte einst eine Freundin zu Marie Luise. Sie war tief gekränkt und fragte sich: „Bin ich etwa nicht vollständig?“ Ist ewige Unvollständigkeit wirklich der Preis, den Frauen zahlen müssen, für die Kinderkriegen nicht die allerhöchste Priorität hat?
Marie Luise findet: Die Entscheidung einer Frau für eine Schwangerschaft ist eine politische. Immerhin entscheidet sie sich damit auch für Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt und unbezahlte Care-Arbeit. Jede sollte das Recht haben, sich gegen diese Dinge zu entscheiden, ohne gleich als verschrobene Katzenlady stigmatisiert zu werden. Umgekehrt ist es natürlich genauso legitim, wenn sich jemand für sein Lebensglück unbedingt eigene Kinder wünscht. Nur sollte man eben nicht von sich auf andere schließen.
Vergiss niemals, dass die Gründe für oder gegen eine Familiengründung häufig sehr persönlich sind und man anderen mit unüberlegten Nachfragen zum Thema Nachwuchs sehr schnell sehr wehtun kann. Falls du zu denjenigen gehörst, die die K-Frage für sich noch nicht entschieden haben, denk daran, dass offene Fragen zum Leben gehören und vollkommen okay sind.
Jeder ist auf seiner eigenen Reise: Manche bekommen schon mit Anfang zwanzig Kinder, andere erst Anfang vierzig. Wieder andere beschließen vielleicht mit Anfang fünfzig nach Australien auszuwandern oder treffen ihre große Liebe erst mit sechzig. Also trau dich loszulassen und das Unterwegssein zu genießen.
Alleine arbeiten
Mit einer dampfenden Tasse Kaffee in den Händen tritt Marie Luise ans Fenster und bewundert den Ausblick über die Häuserschluchten Barcelonas. Hier, in einem kleinen windschiefen Apartment im vierten Stock, wird sie in den nächsten Wochen wohnen und arbeiten. Dass die Home-Office-Bedingungen hier nicht gerade optimal sind, stört sie nicht – ganz im Gegenteil. Sie arbeitet gerne im Schneidersitz auf dem Fußboden oder an einem wackeligen Tischchen im sonnenbeschienenen Straßencafé.
Ihre Liebe für unbequeme Zwischensituationen erklärt Marie Luise Ritter mit einer Theorie, die sie die Küchentischtheorie getauft hat: Selbst wenn sie einen perfekt eingerichteten Arbeitsplatz mit ergonomischem Schreibtischstuhl, Ordnersystem und optimalen Lichtverhältnissen hätte, würde sie sich mit ihrem Laptop lieber auf die harte Sitzbank vor dem Küchentisch kauern und dort inmitten eines kreativen Chaos aus losen Papieren und leeren Kaffeetassen arbeiten. Sie ist überzeugt: Nur das Unfertige und Flüchtige bringt ihre Kreativität so richtig zum Fließen.
Vielleicht ist es mit dem Alleinleben nicht anders. Weil alles ein ständiger Übergang ist, ein ewiges Zwischendurch, bist auch du in Bewegung und offen für Abenteuer. So rosten Kopf und Herz nicht ein und du bleibst mit deiner eigenen Lebendigkeit verbunden.
Alleine genug sein
In der siebten Klasse sollte Marie Luise ein Referat halten. Thema: ein beliebiger Ort irgendwo auf der Welt. Ihre Wahl fiel auf Vanuatu, eine kleine Insel im Südpazifik. Laut des Happiness Index – einem jährlichen Report der Vereinten Nationen zur Lebenszufriedenheit in verschiedenen Ländern – leben dort die glücklichsten Menschen der Welt. Und das, obwohl die Bewohner Vanuatus gemessen am Wohlstand der westlichen Industrienationen in ziemlich armen Verhältnissen leben. Seitdem fragt sich Marie Luise, ob die Fähigkeit, mit wenig zufrieden zu sein, vielleicht der eigentliche Schlüssel zum Glück ist.
Dabei geht es nicht darum, Armut zu romantisieren. Denn natürlich müssen die Grundbedürfnisse erfüllt sein, bevor man an Dinge wie Selbstverwirklichung denken kann. Und doch ist es auffällig, dass an Orten wie Vanuatu, die den Klauen der Leistungs- und Konsumgesellschaft bisher entkommen sind, mehr Zufriedenheit herrscht als anderswo. Auf ihren Alleinreisen macht Marie Luise immer wieder die Erfahrung, wie herrlich unbeschwert es sich mit leichtem Gepäck lebt. Ein Schlafplatz, die Sonne im Rücken und der Fahrtwind reichen aus, um sie mit einem tiefen Gefühl inneren Friedens zu erfüllen.
Wer sich hingegen einredet, dass er erst mit dem perfekten Haus, Job oder Partner dauerhaft zur Ruhe kommen kann, der ist mit seiner Aufmerksamkeit ständig bei dem, was ihm noch fehlt. Und mit diesem Mindset, davon ist Marie Luise überzeugt, entwertet man sich selbst und das Leben, das man führt.
Wenn dir solche dunklen Gedanken bekannt vorkommen, versuche doch einfach mal einen Perspektivwechsel: Richte deinen Blick bewusst auf all die guten Seiten deines Lebens, all die inneren Reichtümer und Ressourcen, die du in dir trägst. Hab Vertrauen, dass du deines eigenen Glückes Schmied bist und dass du mit dir selbst alles hast, was du wirklich brauchst.
Wir hoffen, du konntest in den kleinen Geschichten ein bisschen Inspiration finden und hast Lust bekommen, dein Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Zum Schluss wollen wir dir noch folgenden Ratschlag mit auf den Weg geben: Sei dir selbst ein guter Partner – ganz egal, ob du alleine lebst oder in Gemeinschaft. Es bedeutet, dich jeden Tag über dich selbst zu freuen. An dich zu glauben, dich zu verwöhnen, dir selbst gut zuzureden und liebevoll für dich selbst zu sorgen. Dann wirst du das Alleinsein nicht länger als Mangelzustand empfinden, sondern es als das erkennen, was es ist: vollkommenes Glück.