Soulsex – Die körperliche Liebe neu entdecken

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Es ist gar nicht leicht, sich beim Sex wirklich auf Gefühle einzulassen. Viele Menschen haben sich aus Angst vor Ablehnung und Verletzung einen schützenden Panzer zugelegt und lassen keine Nähe mehr zu. Manche von uns haben auch schlicht verlernt, wahrzunehmen, was wir spüren, was wir wollen und was uns guttut. Gerade in Langzeitbeziehungen werden die Gräben im Alltag tiefer, die Mauern im Bett höher und die Herzen kälter.

In diesem Artikel erfährst du, wie du dein Liebesleben neu entfachst und mit dem Menschen an deiner Seite wieder eins wirst. Das Schöne am Soulsex: Nichts muss, alles darf! Ihr müsst nicht wie Getriebene auf einen Orgasmus hinarbeiten, braucht keinen perfekten Körper, ja nicht einmal eine Erektion. Alles, was ihr braucht, ist Neugier und der Mut, euch auf diese neue Erfahrung einzulassen.

Die Autorin richtet sich in ihrem Buch vor allem an heterosexuelle Paare. Aber wir glauben, dass Soulsex in jeder Liebeskonstellation eine Bereicherung ist! Bist du bereit, dir und deiner Liebe noch eine Chance zu geben?

Es ist Zeit für eine Revolution im Bett.

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Die Hälfte aller Deutschen ist laut einer Umfrage mit ihrem Sexleben unzufrieden. Doch keiner gibt es zu. Stattdessen spielen wir uns gegenseitig eine heile Welt vor, bekommen auf Partys Geschichten von wilden Sex-Abenteuern aufgetischt und lesen in Zeitschriften alles über multiple Orgasmen, Sex-Spielzeuge und den G-Punkt.

Dabei herrscht gerade in Langzeitbeziehungen oft Flaute im Bett. Vielen leiden an einer Art Sex-Burn-out. Den einen ist die emotionale Nähe zueinander verlorenen gegangen und sie flüchten sich ins Kopfkino oder heizen sich mit Pornos an. Andere fühlen sich erschöpft und leer. Sex ist für sie zur Routine geworden, die keinerlei Überraschungen mehr parat hält. So erging es auch der Autorin: Die Küsse mit ihrem Mann schmeckten fahl, der Sex war unbedeutend geworden.

Die meisten Menschen ziehen sich nach einer Weile schlicht aus dem Sexleben zurück. Ihnen geht die Lust verloren oder sie spüren sogar Widerwillen beim Gedanken an Sex mit dem Partner. Aber auch Druck und Versagensängste können echte Lustkiller sein.

Laut dem Beziehungs- und Sexualforscher Dr. Ragnar Beer von der Universität Göttingen nimmt die sexuelle Aktivität von Paaren mit der Dauer der Beziehung immer mehr ab. In vielen Langzeitbeziehungen geht sie sogar gegen null. Das ist schade, denn wenn sich der Sex aus unserem Leben verabschiedet, fehlt uns etwas.

Sex ist die intimste Art der Kommunikation: Er ist körperlich gelebte Liebe, die unsere Seele berührt. Kaum etwas anderes kann unsere tiefe Sehnsucht nach Angenommensein, Zugehörigkeit und Verbundenheit so heilend erfüllen. Gerade diese wundersame Kraft der Verbindung mit einem anderen Menschen macht den Sex so magisch.

Echte Nähe lässt sich allerdings nicht in einem One-Night-Stand, in einem Pornostreifen oder bei einer wilden Affäre entdecken. Hier erfahren wir vielleicht Spaß und kurze Befriedigung. Doch um echte Intimität, Genuss und Sinnlichkeit zu verspüren und das beseelte Gefühl zu erleben, mit einem anderen Menschen zu verschmelzen, brauchen wir etwas anderes: Wir brauchen Soulsex.

Soulsex ist langsam, sanft und entspannt. Wir lassen uns mit jeder Faser auf unseren Partner ein und hören darauf, wonach sich unser Körper und unsere Seele sehnen. Statt nach einem kurzen orgastischen Moment zu streben, lernen wir beim Soulsex, all die vielen kleinen Momente auf dem Weg auszukosten und ganz präsent zu sein.

In vielen Schlafzimmern sieht die Realität jedoch anders aus – Nähe, Verbundenheit und intensiven Genuss sucht man hier oft vergeblich. Was läuft da schief?

Pornos und Sex als Droge machen nicht glücklich.

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Auf der Suche nach Lust und Leidenschaft wenden sich insbesondere Männer vermehrt Pornos zu. Doch der schnelle Schuss vor dem Bildschirm hat auf Dauer einen hohen Preis: Viele Pornokonsumenten werden süchtig und verlieren die Fähigkeit zu echter Intimität.

Nie zuvor haben so viele Menschen Pornos geschaut. Das digitale Rotlichtviertel ist häufig kostenfrei und wächst rasend schnell. Laut einer Studie haben die Hälfte aller dreizehnjährigen Jungen bereits Erfahrungen mit Pornos gesammelt. Viele von ihnen wissen aus dem Internet alles über Sex. Aber wie sie sich einem realen Sexualpartner hingeben und echte Nähe zulassen, das ist ihnen ein Rätsel.

Die dänische Sexologin Ann-Marlen Henning spricht von einer ganzen Generation von jungen Männern, die sie „Linkswichser“ nennt. Mit der rechten Hand bedienen sie die Computermaus, mit der linken masturbieren sie. Dann landen sie nach einiger Zeit bei Henning in der Praxis. Ihr Problem: Sie können einfach nicht mehr mit Frauen schlafen. Ihr Penis hat sich so an das schnelle, feste Rubbeln gewöhnt, dass es mit einer realen Gespielin im Bett nicht mehr klappt. Sanft und neugierig den anderen Körper zu erkunden stimuliert den verstörten Penis und den dazugehörigen Mann nicht mehr. Stattdessen setzt ein Teufelskreis ein, der zur Sucht werden kann.

Die meisten Pornos sind Fast Food. Sie dauern nicht lange und zielen direkt auf den Höhepunkt ab. Mit all den menschlichen Aspekten wie Emotionen und Hemmungen, die wir vielleicht haben, brauchen wir uns beim Pornokonsum nicht zu beschäftigen. Die Stimulation passiert im Kopf und wird direkt in die Genitalien geleitet. Das Herz wird dabei ausgelassen.

Sabine und Michael konnten sich nur noch mit Pornos in Stimmung bringen. Anfangs fand Sabine die erotischen Filme aufregend. Doch Michael wollte immer härter Streifen und verlangte, dass Sabine nachmachte, was in den Pornos lief. Erst eine Gesprächstherapie brachte zutage, dass Michael sich von Sabine unter Druck gesetzt fühlte: Sie forderte von ihm Erfolg, er flüchtete in die Welt der Pornografie.

Pornos zu schauen ist nichts, wofür man sich verurteilen muss. Aber es kann ein Indiz dafür sein, dass etwas im Leben oder im Liebesleben fehlt. Oft dient es auch als Fluchtmittel, um den Tretminen echter menschlicher Nähe auszuweichen. Menschen, die exzessiv Pornos konsumieren, haben häufig Angst vor Intimität und wollen sich nicht verletzlich zeigen. In der Pornowelt können sie alte Verletzungen verdrängen. Doch sie werden dort nie erleben, wie erfüllend es ist, sich gemeinsam mit einem anderen Menschen fallen zu lassen.

Wir alle sind sexuelle Wesen, die sich nach Bindung sehnen.

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Im dreizehnten Jahrhundert soll Kaiser Friedrich der Zweite ein grausames Experiment unternommen haben: Angeblich wies er ein paar Ammen an, die ihnen anvertrauten Säuglinge zwar zu füttern und zu säubern, sie aber nicht zu liebkosen und nicht mit ihnen zu sprechen. Trotz einwandfreier Grundversorgung starben die Säuglinge nach kurzer Zeit. Offenbar brauchen wir Menschen Berührung und körperliche Liebe wie die Luft zum Atmen – ohne Nähe gehen wir ein.

Neuere Studien belegen, dass Kinder in ihrer Entwicklung hinterherhinken, wenn sie in den ersten Lebensjahren zu wenig körperliche Zuwendung bekommen. Babys, die hingegen viel Nähe erfahren, oft am Körper getragen und verlässlich getröstet werden, sind ausgeglichener und weinen weniger. Babys können etwas, das wir Erwachsene verlernt haben: Fühlen und Körper sind eins. Ein Baby ist einfach. Es geht vollkommen in der Erfahrung seiner selbst auf.

Schon in den frühen Kindheitsjahren wird die Software für unser späteres Sexualverhalten geschrieben, auf die wir als Erwachsene automatisch zurückgreifen. Wenn wir bereits früh schmerzhafte Erfahrungen machen mussten, wirkt sich das unweigerlich auf unser Verhalten und unsere Sexualität aus. Mangelnde Nähe, Liebesentzug und Zurückweisung und können uns tief verunsichern und Schamgefühle oder Hemmungen auslösen.

Ute und Tobias waren frisch verliebt. Alles lief wunderbar, doch als sie auf einer Wiese schmusen wollten, versteifte sich Ute plötzlich und wies Tobias barsch ab. Sie bekam Schlafstörungen und Panikattacken, bis sie schließlich die Ursache für ihre Angst fand: Als Ute jünger war, schob ein Junge, für den sie schwärmte, ihr einmal auf einer Wiese den BH hoch und brach dann in schallendes Gelächter aus. Er hatte mit seinen Freunden darauf gewettet, dass er ihren nackten Busen sehen würde. Anschließend ließ er Ute einfach im Gras liegen. Sie fühlte sich erniedrigt und beschämt und verbannte den Vorfall aus ihrer Erinnerung. Doch Tobias’ Berührungen auf der Wiese hatten die Scham und das schreckliche Gefühl wieder hochkommen lassen.

Wenn wir unsere Sexualität besser verstehen und sie heilen wollen, müssen wir unsere sexuellen Neigungen und unser Verhalten im Bett hinterfragen: Was erfüllt mich wirklich? Was macht mich glücklich? Welche meiner Verhaltensweisen sind erlernt oder gehen auf schmerzhafte Erlebnisse in der Kindheit zurück?

Beim Soulsex geht es darum, seine wahren Bedürfnisse zu entdecken und wieder auf sie zu hören. Das heißt auch, dass du dich von überkommenen Vorstellungen befreist, wie etwa dem Mythos, der Orgasmus sei das Nonplusultra beim Sex.

Verbissen nach dem Orgasmus zu jagen ist nicht erfüllend.

Die Fixierung auf den Orgasmus ist für unseren Körper eine wirklich traurige Erfahrung: Wir behandeln ihn wie eine Maschine, die wir auf alle erdenkliche Arten manipulieren und beackern, um ihr eine ekstatische Entladung zu entlocken. Und oft ist es doch so: Je mehr wir den Orgasmus wollen, desto weiter rückt er in die Ferne. Gelingt es uns doch, ist er nur von kurzer Dauer und raubt uns jegliche Energie. Statt Erfüllung folgt auf den Höhepunkt Erschöpfung und das Gefühl von Leere.

Die Sexualpsychologin Diana Richardson unterscheidet zwischen Gipfel- und Talorgasmen. Den Gipfelorgasmus erreichen wir durch Anstrengung und Leistung; wir arbeiten gezielt auf den eruptiven Moment hin. Der Weg dorthin ist heiß und durch Gier getrieben. Gerade Männer neigen dazu, sich dabei immer schneller und härter zu bewegen. Viele Frauen wiederum verspannen sich durch die Überreizung und den Druck und verschließen sich.

Eine ganz andere Erfahrung bietet der Talorgasmus. Er kommt nicht mit einem Paukenschlag, sondern durchflutet uns wie eine wohlige Welle – ein wenig, als ob man eine Violinsaite zum Klingen bringt und der Klang nachhallt. Der Talorgasmus ist ausgedehnter, kühler, feiner. Wir sind hellwach und präsent und genießen mit allen Sinnen. Indem wir uns vollständig in das Erleben hinein entspannen, öffnen wir uns für die Ekstase und können sie ganz bewusst auskosten.

Darum geht es auch beim Soulsex: absichtslose und entspannte Präsenz. Statt auf ein Ziel hinzuarbeiten, wenden wir uns dem jetzigen Moment im Körper zu. Wenn du beim Küssen, Umarmen und Liebemachen ganz wach und ziellos den Regungen des Körpers nachspürst, nimmst du jede kleinste Veränderung wahr und kannst jedes noch so feine Strömen, Pulsieren und jeden Atemzug intensiv genießen.

Man muss für Soulsex nicht jung und knackig sein, man braucht nicht den größten und härtesten Penis und auch kein Viagra. Damit der Sex wieder aufblühen kann, müsst ihr als Paar einfach nur den Leistungsdruck hinter euch lassen. Nehmt Druck und Tempo raus und öffnet euch einander behutsam. Das kann anfangs eine ziemliche Herausforderung sein, und wahrscheinlich müsst ihr erst eine Weile üben und herumprobieren, euch miteinander verständigen und euch neu zusammenraufen. Aber ist es das nicht wert?

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Dein Lehrmeister beim Soulsex ist dein Körper.

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Ganz gleich, wie erfahren du in Sachen Sex bist: Wenn du dich auf das Experiment Soulsex einlässt, solltest du bereit sein, wieder zur Schülerin zu werden, die voller spielerischer Neugier auf Entdeckungsreise geht. Dein bester Lehrer? Dein eigener Körper!

Es braucht etwas Übung, aber wenn du achtsam und geduldig bist, wird dir dein Körper immer deutlicher mitteilen, was sich gut anfühlt. Solltest du dich beim Sex plötzlich unsicher fühlen, halte inne, nimm ein paar ruhige Atemzüge und horche in dich hinein. Vielleicht geht es irgendwo im Körper nicht weiter und er verschließt sich? Oder spürst du ein bejahendes Strömen? Dein Körper weiß, was du brauchst und was dir zu viel ist – du musst ihm nur zuhören.

Das gilt auch für die Kommunikation miteinander. Schluss mit gut gemeinten, aber unehrlichen Zustimmungsbekundungen – was ihr braucht, ist die unverstellte Wahrheit. Wenn sich eine Berührung falsch oder fremd anfühlt oder du nichts spürst, dann artikuliere das. Es ist wichtig, dass du deinem Partner sagen kannst: Mach bitte langsamerKönnen wir die Stellung wechseln?“, oder Ich spüre hier gar nichts.“

Solche ungewohnten Rückmeldungen mitten beim Sex können frustrierend sein und verunsichern. Doch nur wenn ihr ehrlich miteinander seid, werdet ihr das Feintuning zwischen euren Körpern verbessern.

Ihr habt euch aufeinander eingestimmt und seid bereit für den Liebesakt? Die goldene Regel bei der Penetration lautet: „langsam … ganz langsam … noch langsamer“. Der Mann erspürt mit der Spitze seines Penis am Eingang der Vagina, ob sie auch wirklich bereit ist. Bei jedem noch so kleinen Widerstand hält er inne. Statt forsch einzudringen, vertieft sich der Penis behutsam in die Vagina, gleitet achtsam in sie hinein und wird ebenso achtsam von ihr aufgenommen.

Das Geheimnis liegt darin, sich Zeit zu lassen und nichts zu forcieren. Ruckartige oder gierige Bewegungen können die besondere Verbindung zwischen Penis und Vagina kaputtmachen. Fast jede Vagina ist schon einmal überrumpelt worden, weil ein Penis in sie eindrang, bevor sie ausreichend feucht, weich und bereit war. Das hat Spannungen hinterlassen. Im Idealfall hilft der verständnisvolle Penis, diese Verletzungen zu heilen. Die Frau kann sich wieder öffnen und fühlt, wie ihr sexuelles Empfinden ganz natürlich und von innen heraus erwacht, ohne dass sie es bewusst lenkt. In diesem Moment der Nähe spüren beide Partner die Kraft ihres Atems, der sich unbewusst und wie von allein synchronisiert.

Feste Spielregeln schaffen die Basis für Soulsex.

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Soulsex öffnet die Tür zu einer neuen Liebesart. Statt besinnungslos zu rammeln, geben sich die Liebenden ganz dem Zauber des Augenblicks hin – entspannt, langsam und genießend. Das erfordert großes Vertrauen, deshalb solltet ihr euch als Paar vorab auf klare Spielregeln einigen.

Für Soulsex braucht es einen geschützten Raum, in dem ihr euch ganz aufeinander einlassen könnt. Will heißen: keine Dreiecksbeziehungen, kein Herumflirten mit anderen, keine Pornos, keine Bordellbesuche.

Ebenfalls tabu sollte der sogenannte Deal-Sex sein. Missbraucht den Liebesakt nicht als Machtmittel, oder um etwas Bestimmtes zu erreichen. Viele Menschen haben beispielsweise Sex, weil sie sich Anerkennung wünschen. Andere nutzen das Schäferstündchen, um Streit zu beenden oder den Partner wieder an sich zu binden, wenn es in der Beziehung kriselt. Solche Hintergedanken ruinieren jeden guten Sex.

Doch so wichtig feste Spielregeln sind – sie können auch Fluchtimpulse auslösen. So mancher Mann und auch die eine oder andere Frau hat sich, wenn es verbindlich wurde, schon mit den Worten verdrückt: „Ich brauche meine Unabhängigkeit“. Übersetzt heißt dieser Satz nichts anderes als: „Ich habe Angst, mich auf dich einzulassen“. Wer Angst hat, echte Gefühle zuzulassen, wird vor Soulsex eher zurückschrecken. Falls du auch in diese Kategorie gehörst, widerstehe deinem Fluchtimpuls. Wenn du bleibst, machst du dich zwar verletzlicher, aber du hast auch die Chance, echte Erfüllung zu finden und ein ganz neues Level an Intimität in deiner Beziehung zu erleben.

Das bringt uns zu einer weiteren Zauberformel für Soulsex: Bleibe verletzlich und ehrlich! Konkret bedeutet das, dich emotional und körperlich wirklich zu öffnen. Steige aus dem Tun-Modus aus und lass echte Gefühle zu. Lerne auch, nicht immer alles auf dich zu beziehen. Wenn dein Partner in seine Pornowelt abtaucht, sage dir: Er hat das Problem, nicht ich!“ Es bringt nichts, dich zu grämen, ihn zu bemitleiden oder gar Ausreden für ihn zu finden. Hier hilft nur Abstand.

Wenn ihr euch als Paar auf Soulsex einlasst, begebt ihr euch auf sexuelles und emotionales Neuland. Darum ist es besonders wichtig, einander trotz aller Fehler und trotz einer vielleicht schmerzhaften gemeinsamen Vergangenheit wirklich anzunehmen. Akzeptiert den anderen, wie er eben ist, und verzichtet auf Vorwürfe. Für den Neubeginn braucht es einen Vertrauensvorschuss. Baut der Partner dann wieder Mist, zieht man neue Grenzen.

Für Soulsex darf und sollte man sich Zeit nehmen.

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Küsschen hier, „Schatzi“ da – Millionen Paare drücken sich tagtäglich Stempelküsse auf die Lippen und benutzen Kosenamen, die ihre Bedeutung längst verloren haben. Mit solchen toten Ritualen kommt man durchaus bis zur Silberhochzeit. Aber zu welchem Preis?

Bei vielen Langzeitpaaren regt sich wirklich gar nichts mehr – die romantische Verliebtheit der frühen Tage ist gefühlt schon Lichtjahre her. Wenn ihr wieder Raum für echte Nähe schaffen wollt, startet am besten damit, euren Alltag nach leeren Gewohnheiten und Worthülsen zu durchforsten.

Eine weitere wichtige Regel ist es, nicht auf Lust und Leidenschaft zu warten, um mit dem Soulsex zu beginnen. Da könnt ihr unter Umständen nämlich lange warten. Macht stattdessen einen Termin aus. Ja, du hast richtig gehört: einen Termin!

Guter Sex braucht Zeit. Wie willst du die mit deiner Partnerin finden, wenn ihr bis zum Umfallen arbeitet, den Kindern immer den Vorrang gebt und dann abends nur noch Kraft fürs Absacken vor dem Fernseher habt? Es ist Zeit, Prioritäten zu setzen und ganz offiziell einen Termin für die Sinnlichkeit zu vereinbaren. Alles andere stellt ihr während der Verabredung hintenan. Dann legt ihr euch – so merkwürdig sich das anfangs anfühlen mag – gemeinsam ins Bett und nehmt euch Zeit füreinander. Vielleicht entsteht dabei etwas ganz Neues zwischen euch.

Nehmt euch mindestens eine Stunde Zeit für euer Stelldichein und plant gern mehrere Liebestermine pro Woche ein. Die Mauern in eurer Beziehung sind über Jahre des pragmatischen Miteinanders entstanden. Um sie abzubauen, braucht es Regelmäßigkeit, denn beim Sex ist es wie beim Sport: Wer nicht regelmäßig trainiert, bekommt Muskelkater und verliert die Kondition.

Falls eine ganze Stunde Sinnlichkeit nicht in euren Tagesablauf passt, fangt mit kleineren Einheiten an. Fünf Minuten täglich sind immer noch besser, als wenn ihr gar nichts ändert. Wichtig ist, dass ihr nicht mit übertriebenen Erwartungen in euer neues Sexleben startet. Auch beim Soulsex kann es Flauten und Pannen geben. Vielleicht seid ihr anfangs desorientiert oder unsicher. Es können sogar Tränen fließen. Vielleicht werdet ihr beim zärtlichen Streicheln auch von komatösen Schlafattacken übermannt und der andere zieht sich beleidigt zurück. Da hilft nur, kein Drama daraus zu machen, es nicht persönlich zu nehmen und vielleicht über die eigenen unbeholfenen Versuche auch mal zu lachen. Den perfekten Soulsex gibt es nicht, denn es geht hier, wie schon gesagt, nicht um Ergebnisse.

Soulsex beginnt damit, dich selbst und deinen Körper intensiv wahrzunehmen.

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Du hast dein altes Sexleben auf Herz und Nieren geprüft und weißt, wo es hakt. Wie der neue Sex aussehen und welchen Spielregeln er folgen kann, hast du ebenfalls vor Augen. Hier noch ein paar praktische Tipps, wie euch der Einstieg in den Soulsex gelingt.

Es klingt kontraintuitiv, aber am besten startest du erst einmal allein: indem du deinen eigenen Körper erkundest. Damit ist keine Selbstbefriedigung gemeint, sondern erforschende Berührungen, die deine Selbstwahrnehmung stärken.

Streichle mit geschlossenen Augen deinen Unterarm – so, als wäre es das erste Mal. Spürst du mit den Fingerspitzen die feinen Härchen? Wie fühlt sich deine Haut an? Ist sie warm oder besonders weich? Wechsle nun mit deiner Wahrnehmung von den Fingerspitzen in den Unterarm, also vom Berühren zum Berührtwerden. Wie fühlt es sich an, wenn die Härchen sachte gestreichelt werden und die Hand langsam über den Arm gleitet? Diese Übung schult nicht nur deine Selbstwahrnehmung, sondern auch dein Einfühlungsvermögen und deine Präsenz.

Präsent im Moment zu sein ist anfangs nicht immer leicht. Vielleicht driftest du mit den Gedanken immer wieder ab, sodass du gar nicht mehr mitbekommst, was deine Hände gerade tun oder wie sich die Berührungen auf deinem Arm anfühlen. Aber mit etwas Übung wird es dir immer leichter fallen, und bald wirst du auch im Kontakt mit deiner Partnerin achtsamer und einfühlsamer.

Wenn es dann so weit ist, solltet ihr das Liebesspiel unbedingt ganz langsam und behutsam beginnen. Falls ihr bislang immer bestimmten Routinen oder Sexpraktiken gefolgt seid oder Hilfsmittel benutzt habt, lasst sie erst einmal weg, um die Möglichkeiten des Soulsex ganz unverstellt zu erkunden. Vermeidet Stellungen, Bewegungen und Berührungen, von denen ihr wisst, dass sie euch gleich in Fahrt bringen. Statt die ausgetretenen Pfade zu begehen, nehmt ihr ganz bewusst das Tempo raus und probiert etwas Neues.

Nun kennst du die wichtigsten Spielregeln für Soulsex. Aber alle Worte können lediglich Wegweiser sein – die Erfahrungen dazu dürft ihr selbst machen.

Soulsex eröffnet dir eine neue Art des Liebens, die dich deinem Partner wieder näherbringt und bei der du dich selbst neu entdeckst. Du lernst, dich für Zärtlichkeiten zu öffnen, innere Blockaden abzubauen und Körper, Herz und Seele in Einklang zu bringen. Statt beim Sex auf ein Ziel hinzustreben, bist du achtsam und verletzlich, einfühlsam und ganz im Moment präsent. Wenn du dich wirklich auf Soulsex einlässt, wirst du beseelt in dir ruhen und den Menschen an deiner Seite mit jeder Faser deines Körpers lieben.

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